Großes Interesse am "kleinen Widerstand"

Veröffentlicht am 07.04.2011 in Veranstaltungen

Die Veranstalter mit den anwesenden Familienmitgliedern

Vierzig interessierte ZuhörerInnen haben sich die Schilderungen des Geschichtslehrers Albert Eichmeier aus Oberronning angehört. Mit der Veranstaltungsreihe "Zivilcourage" geht der SPD-Arbeitskreis Labertal auf die Geschichte von Menschen ein, die in der Nazizeit nicht den Mund gehalten haben, die sich damit teilweise Haftstrafen einhandelten und große Nachteile für sich und ihre Familien hinnehmen mussten.

Start der historischen Vortragsreihe "Der kleine Widerstand im Labertal"

Einen bewegenden Einblick in die Zeit des Nationalsozialismus erhielten die Besucher der ersten Veranstaltung des SPD-Arbeitskreises Labertal zum Thema „Der kleine Widerstand im Labertal“ im Gasthof Huberbräu. Der Geschichtslehrer Albert Eichmeier recherchierte in Staats- und Bundesarchiven über Strafverfahren vor dem Sondergericht München gegen Bürger des Altlandkreises Rottenburg an der Laaber und Mallersdorf. In seinem Vortrag stellte er anhand von vier Fällen dar, wie die nationalsozialistische Diktatur mit kritischen Bürgern verfuhr. Es handelte sich um den Landwirt Michael Schuss aus Adlhausen, den Viehhändler Albert Krausnecker aus Niederleierndorf, den Langquaider Werkstättenschreiber und Musiker Heinrich Jungbauer und den Bauhilfsarbeiter Vinzenz Brunner aus Grub.

Albert Eichmeier legte Kopien der Originalakten vor und zitierte und erläuterte die Schriften, in denen Zeile für Zeile das perfide Vorgehen gegen unliebsame Bürger festgehalten wurde. Rechtliche Grundlage, um die kritischen Bürger mundtot zu machen, war das 1934 erlassene Heimtückegesetz, das ein Freibrief für die Einschränkung der Meinungsfreiheit war und der Denunziation die Tore öffnete. Als Strafmaß wurde eine Haftstrafe bis zu zwei Jahren Gefängnis festgelegt.

Michael Schuss wurde angezeigt, weil er sich angeblich abfällig zu einer Aufforderung, an einem Hitler Besuch in Regensburg teilzunehmen, geäußert hatte. In der "politischen Beurteilung" des Langquaider NSDAP-Kreisleiters vom Januar 1938 wurde er als "unzuverlässiger, lümmelhafter, unverschämter Lügner und Kommunist" bezeichnet. Laut Eichmeier hatte Michael Schuss einen Lehrer angezeigt, der seine Tochter geschlagen hatte. Es wäre fast zu einer Verurteilung gekommen. Der Lehrer entging der Verurteilung jedoch dank seiner Anhängerschaft zur NSDAP. "Man muss davon ausgehen", so Eichmeier, "dass Michael Schuss diese Anzeige in das Visier der Nazis brachte. Die Beurteilung des Kreisleiters diente dazu, den Angeklagten vor Gericht in einem möglichst schlechten Licht dastehen zu lassen. Man kann davon ausgehen, das der Charakter der Verfolgten das Gegenteil der nationalsozialistischen Beschreibung war.“ Die Angeklagten seien aufrichtige Bürger gewesen, die ihrem Gewissen folgten und damit nicht zu Mitläufern des Naziregimes wurden, so der Geschichtslehrer.

Seine Hilfsbereitschaft gegenüber einem 70jährigen Langquaider brachte Albert Krausnecker eine Anzeige wegen angeblicher kritischer Äußerungen gegen das Regime ein. Am 18. Januar 1938 besuchte er mit einem befreundeten Viehhändler den Schierlinger Viehmarkt und nahmen den Langquaider Senior mit zurück. Während der Fahrt unterhielten sie sich kritisch über das Verbot, weiterhin mit Juden zu handeln. Nachdem er in Niederleierndorf wochenlang erzählte, er könne jemanden "nach Dachau bringen", dankte der Senior die Mitnahme mit einer Anzeige im Februar.

Michael Schuss und Albert Krausnecker hatten Glück, da ihre Verfahren aufgrund der Amnestie 1938 eingestellt wurden. Die Nazi-Gerichte verhielten sich laut Eichmeier zu dieser Zeit moderat, da man wegen des Anschlusses von Österreich keine inneren Unruhen wollte.

Der Langquaider Heinrich Jungbauer hatte einige Jahre später weniger Glück. Ihn brachten seine kritischen Äußerungen zu einem Hitlerbild über der Haustüre seines Schwiegervaters im November 1941 zwei Jahre Gefängnis ein.

Besonders ausführlich berichtete Albert Eichmeier über den Bauhilfsarbeiter Vinzenz Brunner aus Grub. Brunner diente vier Jahre im ersten Weltkrieg. Im August 1941 wurde er in Haft genommen. Aus einem Brief seiner Ehefrau Babette, mit der er vier Kinder hatte, geht hervor, dass "…Vinzenz auf Betreiben einer Person immer wieder die Arbeit gekündigt wurde". Sie bezeichnete das Vorgehen gegen ihren Mann als "Terror".

Vinzenz Brunner war bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten Mitglied der SPD. Dies und seine kritische Haltung gegenüber der Diktatur, seine Frau verweigerte die Annahme des Mutterkreuzes, langten aus, um die Lebensgrundlage der Familie durch Druck auf seine Arbeitgeber zu zerstören.

Vinzenz Brunner wurde 1941 zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der Verurteilungsgrund: Bei einer Unterhaltung mit seinen Arbeiterkollegen beim Koks ausladen sagte er laut Zeugenaussagen, "Deutschland habe Russland angegriffen, das bislang den Nichtangriffspakt gehalten habe. Die Vergeltung für Deutschland komme aber noch und sie sei nicht mehr so fern …".

Bei seiner Vernehmung verwies Brunner auf ein Gespräch mit Herrn Dr. Franz Seiff, der als Beamter der Landshuter Gewerbeaufsicht über die Zuteilung der Schwerarbeiterzulage zu entscheiden hatte. Brunner argumentierte gegen den Wegfall der Zulage und bezeichnete Dr. Seiff als Mann, der seine Situation verstehen würde. Mit der Nennung des Herrn Dr. Seiff versuchte Brunner vermutlich jemanden zu finden, der für ihn sprechen konnte.

Dr. Franz Seiff war bekannt für seine kritische Haltung gegenüber den Nazionalsozialisten. Im Januar 1945, schon als die US-Artillerie Landshut unter Beschuss nahm, wurde er wegen des Aufhängens einer weiß-blauen Fahne zum Tode verurteilt und hingerichtet.

"Die durch Albert Eichmeier publik gemachten Einzelschicksale machen betroffen", so SPD-Ortsvorsitzende Kirsten Reiter. Da es immer weniger Zeitzeugen gebe, auf die man zugreifen könne, sei es wichtig, das in den Archiven liegende Wissen bekannt zu machen. Dieses Wissen sollte gerade auch jungen Menschen zugänglich gemacht werden, um sie für eine politische Verantwortung sensibel zu machen.

Die Themenreihe mit insgesamt 36 Beispielen zum Widerstand im Labertal wird am 29. Mai in Geiselhöring fortgesetzt. Es folgen Vorträge in Mallersdorf und Oberhatzkofen. Die Ergebnisse der historischen Recherchen Albert Eichmeiers werden in einer Dokumentation zusammengefasst, die am Ende der Themenreihe über den SPD Arbeitskreis Labertal (www.spd-labertal.de) bezogen werden kann. Die anwesenden Nachkommen der Familien Krausenecker und Schuss zeigten sich von den Berichten beeindruckt und sagten zu, mit Fotos der Betroffenen die Dokumentation zu bereichern.

 

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